Ertragswertverfahren – Definition
Inhalt
Das Ertragswertverfahren wird für Grundstücke angewendet, die zur Ertragserzielung vorgesehen sind. Einem Käufer so eines Objektes steht die Höhe der Verzinsung an erster Stelle. Der Sachwert ist hier von untergeordneter Bedeutung. Er fließt nur indirekt über die Qualität der verwendeten Baustoffe und der damit zu erwartenden ggf. längeren Restnutzungsdauer mit ein.
Der vorläufige Ertragswert setzt sich aus den zu erwartenden Renditen sowie dem Bodenwert zusammen und wird um einen eventuellen Renovierungsrückstau oder andere Wertmindernde Begebenheiten vermindert. Dies kann zum Beispiel bei langfristig niedrigen und gebundenen Mieten der Fall sein (Sozialwohnungsbau).
Ertragswertverfahren – Anwendung
Das Ertragswertverfahren wird regelmäßig bei Mehrfamilienhäusern, vermieteten Immobilien und Gewerbeimmobilien angewendet. Es eignet sich zum Beispiel nicht für Einfamilienhäuser, die selbst genutzt werden. Idealerweise sollen verschiedene Wertermittlungsverfahren zu einem ähnlichen Ergebniss führen. In der Praxis kommt es zu deutlichen Abweichungen und ein erfahrener Experte sollte diese Abweichungen mit Fachverstand berücksichtigen.
Zum Beispiel kann eine Immobilie unter dem Wert vermietet worden sein. Ein Profi wird hier die marktübliche Miete für das Ertragswertverfahren verwenden. Wird das nicht gemacht, entsteht einem eventuellen Verkäufer ein Verlustschaden.
UPDATE: Download der neuen Ertragswertrichtlinie
Hier können Sie die neue Ertragswertrichtlinie 2016 herunterladen:
Ertragswertverfahren – Rechenweg
Zunächst werden von dem marktüblichen erzielbaren Rohertrag die Bewirtschaftungskosten abgezogen. Von dem sich daraus ergebenden marktüblichen Jahresreinertrag des Grundstückes wird der Bodenwertverzinsungsbetrag abgezogen, der sich aus dem Bodenwert (Anteiliger Wert der zurechenbaren Fläche) multipliziert mit dem Liegenschaftszins berechnet.
Daraus ergibt sich der Jahresreinertrag der baulichen Anlagen. Dieser wird mit dem Ertragswertvervielfältiger multipliziert.
Der sich jetzt ergebende Ertragswert der baulichen Anlage wird mti dem Bodenwert des Grundstückes summiert. Vom sich daraus ergebenden vorläfigen Ertragswert werden nun noch wertmindernde Umstände subtrahiert (Renovierungsrückstau, mietrechtliche Bindungen, etc…)
Ertragswertverfahren – Begriffe
Liegenschaftszinssatz
Unter dem Liegenschaftszinssatz versteht man den Zinssatz, mit dem der Verkehrswert von Liegenschaften marktüblich verzinst wird.
Der Liegenschaftszinssatz wird auf Grundlage geeigneter historischer Kaufpreise sowie der dazugehörigen Reinerträge ermittelt. Hierbei werden vergleichbare Immobilien unter Berücksichtigung der Restnutzungsdauer herangezogen. Lokale Gutachterausschüsse pflegen häufig eine Kaufpreissammlung und können hier Auskunft erteilen.
Restnutzungsdauer
Die Restnutzungsdauer ist die Zahl der Jahre, in denen eine bauliche Anlage bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und Pflege voraussichtlich noch wirtschaftlich genutzt werden kann. Sie beinhaltet die Tatsache, dass nach einer gewissen Zeit statistisch gesehen die Bewirtschaftung unrentabel wird.
Die Restnutzungsdauer kann durch Modernisierungen und Renovierungen verlängert werden.
Die tatsächliche Nutzungsdauer kann dabei deutlich länger sein. Die Betonung liegt auf „wirtschaftlich genutzt“.
Rohertrag
Der Rohertrag wird aus allen marktüblich erzielbaren Einnahmen hergeleitet, sofern das Grundstück ordnungsgemäß bewirtschaftet wird. Üblicherweise handelt es sich um Mieten oder Pachten.
Nicht berücksichtigt werden Umlagen, die zur Deckung von Betriebskosten verwendet werden.
Im Falle von Leerstand oder stark abweichenden Mieterträgen sind die marktüblichen Einnahmen heranzuziehen.
Bewirtschaftungskosten
Bewirtschaftungskosten sind nicht umlagefähige Abschreibungen, die bei üblicher Bewirtschaftung entstehen. Darunter fallen zum Beispiel
- Verwaltungskosten
- Betriebskosten
- Instandhaltungskosten
- Und Mietausfallwagnis
So Betriebskosten durch Umlagen gedeckt sind, bleiben diese unberücksichtigt. Da die Bewirtschaftungskosten vor Anwendung des Ertragswertvervielfältigers angerechnet werden, sind diese damit auch auf die gesamte Restnutzungsdauer berücksichtigt.
Verwaltungskosten können zum Beispiel sein:
- Löhne / Gehälter bei der Verwaltung des Grundstückes und baulichen Anlagen
- Kosten für Sicherheit und Aufsicht
- Kosten für freiwillige oder gesetzliche Prüfungen von Geschäftsabschlüssen sowie der Geschäftsleitung.
Betriebskosten sind Kosten, die aus dem Eigentum von Grundstücken und durch den üblichen Gebrauch dieser Grundstücke und der darauf befindlichen baulichen Anlagen entstehen.
Instandhaltungskosten sind Kosten durch Abnutzung, Alterung oder Witterung, die aufgewendet werden müssen, um den üblichen Gebrauch der baulichen Anlage innerhalb der Gesamtnutzungsdauer sicher zu stellen.
Mietausfallwagnis ist das Risiko der Ertragsminderung, welche durch einen Mietausfall entsteht. Der Mietausfall kann durch ungewollten Leerstand oder durch nicht eintreibbare Forderungen gegenüber einem Mieter bestehen. Kosten des Rechtsweges sind hier ebenfalls hinzuzurechnen.
Für Verwaltungskosten, Instandhaltungskosten und Mietausfallwagnis dürfen Erfahrungswerte angesetzt werden, wobei die Restnutzungsdauer zu berücksichtigen ist. Es ist immer von einer üblichen Bewirtschaftung auszugehen.
Die Betriebskosten müssen nach ihrer tatsächlichen Höhe berechnet werden. Eventuelle Eigenleistungen des Inhabers müssen berücksichtigt werden. Übliche Nutzung wird vorausgesetzt.
Hinweis:
Es gibt auch das sogenannte „vereinfachte Ertragswertverfahren“, welches beispielsweise hier beschrieben wird.